Hier ist ein Überblick über die wichtigsten Begriffe aus der Welt der Haiku für Einsteiger. Ich erkläre traditionelle japanische Konzepte, deren Bedeutung und ihre Anwendung im westlichen Kontext.
Haiku sind viel mehr als eine weitere Form von Dichtung – sie vereinen Sprache, Klang und Naturbeobachtung in einer filigranen minimalistischen Struktur. Einige Begriffe sind essenziell, wenn man die Tradition und die Kunst des Haiku verstehen will. Zum Lesen und Genießen braucht man sie nicht.
Inhaltsverzeichnis
Haiku
Ein Haiku ist ein japanisches Gedichtformat mit drei Zeilen und insgesamt 17 Silben, die auf die Silbenmuster 5-7-5 verteilt sind. Es drückt oft eine Momentaufnahme aus und hat eine starke Verbindungen zur Natur. Es gleicht mehr einem Bild als einem typischen Gedicht europäischer Prägung. Als Plural wird meist ebenfalls Haiku verwendet, die Form Haikus mit „s“ ist auch möglich.
Haijin
Haiku-Dichter. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern „Haiku“ und „Jin“ zusammen, wobei „jin“ so viel wie „Person“ oder eben „Dichter“ bedeutet. Ein Haijin ist also eine Person, die Haiku schreibt oder sich intensiv mit dieser Form der Dichtung beschäftigt. Der Begriff wird häufig verwendet, um jemanden zu bezeichnen, der sich in der Kunst des Haiku übt und die Traditionen dieser Gedichtform pflegt. Es gibt auch historische und bekannte Haijin, die in der japanischen Literaturgeschichte berühmt wurden, wie etwa Matsuo Basho, Yosa Buson und Kobayashi Issa, die als die großen Meister des Haiku gelten.
Haibun
Haibun kombiniert Prosa mit einem Haiku. Diese Form wird oft verwendet, um eine Geschichte oder eine Szene zu beschreiben und mit einem Haiku zu einer poetischen Reflexion zu führen. Es ist eine Verbindung zwischen erzählender und lyrischer Sprache.
Haiga
Ein Haiga ist eine künstlerische Form, die Haiku mit visuellen Medien wie Malerei oder Fotografie kombiniert. Das Haiku und das Kunstwerk ergänzen sich und schaffen eine tiefe emotionale oder visuelle Wirkung.
Kanji
Kanji sind die logografischen Schriftzeichen, die aus der chinesischen Schrift stammen und in der japanischen Sprache verwendet werden. Sie repräsentieren nicht nur einzelne Silben wie in der Hiragana- und Katakana-Schrift, sondern ganze Wörter oder Konzepte. Kanji sind sehr komplex und haben oft mehrere Lesarten (und Aussprachen), abhängig vom Kontext. Haiku in Kanji-Schrift:
薦(こも)着ても好な旅なり花の雨
Kigo
Kigo sind traditionelle Jahreszeitenwörter, die in Haiku verwendet werden, um eine Verbindung zur Natur und den Jahreszeiten auszudrücken. Typische Beispiele sind Kirschblüten für den Frühling oder Schnee für den Winter. Kigo werden traditionell in fünf Kategorien eingeteilt, die sich weiter differenzieren:
Menschliche Aktivitäten: Aktivitäten, die mit einer Jahreszeit assoziiert werden, wie Drachensteigen oder Reisernte.
Jahreszeiten (Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Neujahr): Übergreifende Begriffe wie Frühlingshimme oder Sommerregen.
Wetter und Natur: Begriffe wie Regenbogen, Morgenfrost oder Zikaden.
Flora und Fauna: Pflanzen und Tiere, die spezifisch mit einer Jahreszeit verbunden sind, zum Beispiel Pflaumenblüten oder Heuschrecken.
Feste und Bräuche: Saisonale Ereignisse wie Hanami (Kirschblütenbetrachtung) oder Obon (Ahnenfest).
Kireji
Kireji sind japanische Pausenwörter, die das Haiku strukturieren und eine emotionale oder gedankliche Pause schaffen. Sie trennen den ersten Teil des Gedichts von einem stärkeren oder kontrastierenden zweiten Teil. In der japanischen Sprache wird das Kireji-Wort nicht immer übersetzt, da es keine direkte Entsprechung im Deutschen oder Englischen gibt. Es kann jedoch durch Satzzeichen wie Gedankenstrich, Geviertstrich, Doppelpunkt, Elipse, Ausrufezeichen wiedergegeben werden. Oder Wörter wie ach“, „oh“, „ah“ oder „ja“. Im Japanischen wird es oft genutzt, um die klassische Silbenzahl zu vervollständigen.
Ma
Ma beschreibt die Bedeutung der Pause oder Leere in einem Haiku. Diese Stille zwischen den Worten ist entscheidend, um die Bedeutung der vorherigen und folgenden Worte zu verstärken und dem Gedicht Raum für Interpretation zu lassen.
Renga
Renga ist ein traditionelles japanisches Gedicht, das aus einer Reihe von Strophen besteht, die von verschiedenen Dichtern in einem Gruppenprozess erstellt werden. Ein Haiku ist oft ein kurzer, eigenständiger Teil eines längeren Renga, wobei der erste Vers (hokku) häufig ein Haiku ist, das die Atmosphäre für den Rest des Gedichts setzt.
Romaji
Romaji bezeichnet die Umschrift der japanischen Sprache in das lateinische Alphabet. Romaji wird oft verwendet, um nicht-japanischen Lesern zu helfen, die japanische Sprache auszusprechen und zu verstehen, ohne sich mit den japanischen Schriftsystemen (Kanji, Hiragana, Katakana) auseinandersetzen zu müssen. In Haiku oder anderen japanischen Texten kann Romaji genutzt werden, um dem westlichen Publikum das Verständnis zu erleichtern, ohne die japanische Schrift lernen zu müssen. Romaji ist besonders nützlich für Anfänger, die die Aussprache japanischer Wörter verstehen wollen. So sieht ein Haiku in Romaji aus:
hoshi sude ni aki no manako wo hirakikeri
Sabi
Sabi ist ein Konzept, das mit der Schönheit des Verfalls und der Vergänglichkeit verbunden ist. Es wird oft in Verbindung mit Wabi-Sabi verwendet und kann in Haiku die Melancholie und die Schönheit des Unvollkommenen oder des Vergänglichen ausdrücken.
Saijiki
Eine Saijiki ist eine Sammlung von Kigo, die nach Jahreszeiten und Unterkategorien organisiert ist. Die bekanntesten Saijiki enthalten typischerweise Tausende von Kigo. Einige umfassende Sammlungen bringen es mehr als 10.000 Wörter.
Saisonwörter
Saisonwörter sind die westlichen Entsprechungen von Kigo und werden verwendet, um die Jahreszeiten zu kennzeichnen. Diese Wörter helfen dabei, die Verbindung zu den Naturphasen auch in nicht-japanischen Haiku auszudrücken.
Senryu
Senryu sind eine Art von Haiku, die jedoch inhaltlich humorvolle, satirische oder ernste Themen behandeln, meist mit einem stärkeren Fokus auf die menschliche Natur und weniger auf die Natur selbst. Ein Kigo ist nicht erforderlich.
Shasei
Ein Konzept, das von Masaoka Shiki (1867-1902) geprägt wurde und die direkte, wahrheitsgetreue Beobachtung der Natur oder des Alltags betont. Es fordert den Dichter auf, Szenen so einfach und präzise wie möglich darzustellen, ohne übermäßige Symbolik oder Abstraktion. Shasei zielt auf Authentizität und die klare Darstellung eines Moments ab, um die natürliche Schönheit oder Bedeutung eines Ereignisses unverfälscht einzufangen. Dieses Konzept brachte frischen Wind in die japanische Dichtung, indem es die Haiku von stereotypen Themen löste und sie näher an die Realität rückte.
Shin-Bun
Shin-Bun ist eine relativ moderne Form des Haiku, die sich von der traditionellen Art der Dichtung abhebt und neue Themen oder Ausdrucksformen aufgreift. In diesem Zusammenhang kann ein moderner Haijin oft neue Wege suchen, um das Haiku anzupassen, während er dennoch die Grundstruktur respektiert.
Silben
Im Japanischen dienen onji (phonetische Zeichen) zur Bestimmung der Haiku-Struktur: 17 Laute im Muster 5-7-5. Dabei zählen auch kurze Laute wie »n« als eigene Einheit. Im Westen wird das 5-7-5-Muster oft übernommen, jedoch mit Silben gezählt, was den Fokus stärker auf Bildsprache legt. Beide Ansätze zielen darauf ab, mit wenigen Worten eine dichte Stimmung zu erzeugen.
Tanka
Ein Tanka ist ein traditionelles japanisches Gedicht, das aus fünf Zeilen und insgesamt 31 Silben besteht. Es erweitert das Haiku und wird oft verwendet, um tiefere Emotionen oder längere Gedanken auszudrücken.
Wabi-Sabi
Wabi-Sabi ist eine japanische Ästhetik, die die Schönheit der Unvollkommenheit, der Einfachheit und der Vergänglichkeit betont. Diese Philosophie findet sich oft in Haiku, wo der Fokus auf der natürlichen, unvollkommenen Welt liegt.
Waka
Waka ist ein traditionelles japanisches Gedicht, das vor dem Haiku populär war und aus 31 Silben in fünf Zeilen besteht. Es ist ein wichtiger Vorläufer des Haiku, und viele Haijin haben sich von der Form und Struktur des Waka inspirieren lassen.
Zanshin
Zanshin bedeutet „aufmerksames, achtsames Bewusstsein“ und bezieht sich auf eine innere Haltung der Konzentration und Achtsamkeit. Im Haiku drückt Zanshin die Fähigkeit des Dichters aus, den Moment bewusst wahrzunehmen und in wenigen Worten eine tiefe Bedeutung zu vermitteln.
Zoka
Zoka ist ein Begriff, der sich auf die „Schöpfung“ oder „Kunst der Natur“ bezieht und eine grundlegende Rolle in der japanischen Ästhetik spielt. In Haiku drückt Zoka oft die bewusste Auseinandersetzung mit der Natur aus, in der der Dichter versucht, das natürliche Phänomen in seiner reinen Form einzufangen.
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