Es gibt viele Gedichte, die als klassische oder berühmte Sommergedichte gelten können. Diese Verse fangen die Essenz des Sommers ein, von der wärmenden Sonne bis hin zu lauen Nächten und der prachtvollen Natur.
Hier sind einige berühmte Gedichte, die den Sommer thematisieren oder mit ihm in Verbindung gebracht werden. Oft werden die Freuden und Geheimnisse der Sommernacht besungen. Die teils surrealen Visualisierungen stammen von Dall-E und Microsoft Designer.
Eine, wie ich hoffe, wohlüberlegte Auswahl, die ein breites Spektrum an sommerlichen Stimmungen und Bildern einfängt. Siehe auch: 10 der schönsten und berühmtesten Liebesgedichte ins Bild gesetzt | 10 berühmte klassische Gedichte ins Bild gesetzt | 10 bekannte bunte Herbstgedichte von KI visualisiert
Sommergedichte Inhaltsverzeichnis
Sommer / Georg Trakl
Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.
Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
Erstirbt im Feld.
Nimmer regt sich das Laub
Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.
Stille leuchtet die Kerze
Im dunklen Zimmer;
Eine silberne Hand
Löschte sie aus;
Windstille, sternlose Nacht.
Georg Trakl, ein bedeutender österreichischer Dichter des Expressionismus, verfasste das Gedicht wahrscheinlich um 1913, in einer Zeit des inneren und äußeren Aufruhrs vor dem Ersten Weltkrieg. Trakl war bekannt für seine düsteren und melancholischen Bilder, die oft von einer tiefen Naturverbundenheit und einem Gefühl des Untergangs geprägt sind. Die Visualisierung erfolgte nach der ersten Szene.
Im Sommer / Heinrich Seidel
O komm mit mir aus dem Gewühl der Menge,
Aus Rauch und Qualm und tobendem Gedränge,
Zum stillen Wald,
Dort wo die Wipfel sanfte Grüße tauschen,
Und aus der Zweige sanft bewegtem Rauschen
Ein Liedchen schallt.
Dort zu dem Quell, der durch die Felsen gleitet
Und dann zum Teich die klaren Wasser breitet,
Führ ich dich hin.
In seinem Spiegel schau die stolzen Bäume
Und weiße Wolken, die wie sanfte Träume
Vorüberziehn.
Dort laß uns lauschen auf der Quelle Tropfen
Und auf der Spechte weit entferntes Klopfen,
Mit uns allein.
Dort wollen wir die laute Welt vergessen,
An unsrem Herzschlag nur die Stunden messen
Und glücklich sein!
Heinrich Seidel, ein deutscher Schriftsteller und Ingenieur, schrieb das Gedicht im späten 19. Jahrhundert, einer Zeit, die von der Romantik und dem aufkommenden Realismus geprägt war. Seidel war bekannt für seine Fähigkeit, idyllische Naturszenen mit einer tiefen Sehnsucht nach Ruhe und Abgeschiedenheit zu verbinden.
Sehnsucht / Joseph von Eichendorff
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht.
Eichendorff fängt hier das Gefühl der Naturverbundenheit und der Melancholie ein. Eichendorffs Gedicht ist eine romantische Verherrlichung einer zauberhaften Sommernacht. Durch personifizierte Naturbilder und eine melodische Sprache erschafft er eine Atmosphäre voll Sehnsucht, Liebe und der Ahnung des Unendlichen. Ein Klassiker der Romantik.
Mignon / Johann Wolfgang von Goethe
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!
Kennst du das Haus? auf Säulen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg,
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut,
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut:
Kennst du ihn wohl?
Dahin! Dahin
Geht unser Weg; o Vater, laß uns ziehn!
Goethe darf in keiner Gedichtsammlung fehlen. Das Gedicht zählt zu den berühmtesten der deutschen Literatur überhaupt und thematisiert die Sehnsucht nach Italien, die in Deutschland weit verbreitet war - und immer noch ist. Mit seinen eingängigen und schönen Versen inspirierte es bereits zu Goethes Lebzeiten zahlreiche Umdichtungen, Anspielungen und Parodien und wurde vielfach vertont. Das Gedicht besticht durch seine harmonische Struktur und die poetische Darstellung des Fernwehs und der idealisierten Landschaft Italiens.
Schöne Junitage / Detlev von Liliencron
Mitternacht, die Gärten lauschen,
Flüsterwort und Liebeskuß,
Bis der letzte Klang verklungen,
Weil nun alles schlafen muß –
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
Sonnengrüner Rosengarten,
Sonnenweiße Stromesflut,
Sonnenstiller Morgenfriede,
Der auf Baum und Beeten ruht –
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
Straßentreiben, fern, verworren,
Reicher Mann und Bettelkind,
Myrtenkränze, Leichenzüge,
Tausendfältig Leben rinnt –
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
Langsam graut der Abend nieder,
Milde wird die harte Welt,
Und das Herz macht seinen Frieden,
Und zum Kinde wird der Held –
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
Detlev von Liliencron, ein deutscher Dichter und Offizier, schrieb das Gedicht Ende des 19. Jahrhunderts, einer Zeit, die von Naturalismus und Impressionismus geprägt war. Liliencron steht für klare Sprache und Realismus, der mitunter eine interessante Abwechslung zur poetischen Romantik seiner Zeitgenossen bietet.
Juli / Max Dauthendey
Nun ist es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag man nur küssen mag,
Und alle die Rosen, die müssen
Satt duften zu unseren Füßen.
Nun bleibt es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag ich im Himmel lag,
Dort tat man sich paarweise küssen
Und satt lag die Erde zu Füßen.
Nun ist es Sommer Nacht und Tag,
Und Nacht und Tag man nur küssen mag;
Von allen heißen Genüssen
Ist Anfang und Ende das Küssen.
Max Dauthendey, ein deutscher Dichter und Maler, verfasste das Gedicht in der frühen Phase des 20. Jahrhunderts, während der Zeit des Impressionismus und Symbolismus. Dauthendey wurde gerühmt für seine sinnliche und bildreiche Sprache, die oft eine intensive Verbindung zur Natur und den Gefühlen des Menschen ausdrückt.
Stimmungsbild / Rainer Maria Rilke
Graue Dämmerungen hängen
überm weiten Wiesenplan, -
müd, mit rotgelaufnen Wangen
kommt der Tag im Westen an.
Atemlos dort sinkt er nieder
hinter Hängen goldumsäumt,
seine lichtermatten Lider
fallen mählich zu. - Er träumt. -
Träumt manch sonnig Traumgebilde..
Leis vom Himmel schwebt dahin,
jetzt die Nacht und neigt sich milde,
Sterne lächelnd über ihn…
Rainer Maria Rilke, einer der bedeutendsten Lyriker des 20. Jahrhunderts, ersann das Gedicht vermutlich in der Zeit um die Jahrhundertwende, einer Periode, die von Symbolismus und einer Hinwendung zur Innerlichkeit geprägt war. Rilke ist bekannt für seine tiefgründige, oft melancholische Poesie, die sich durch präzise Naturbeschreibungen und existenzielle Reflexionen auszeichnet.
König Sommer / Gustav Falke
Nun fallen leise die Blüten ab,
Und die jungen Früchte schwellen.
Lächelnd steigt der Frühling ins Grab
Und tritt dem Sommer die Herrschaft ab,
Dem starken, braunen Gesellen.
König Sommer bereist sein Land
Bis an die fernsten Grenzen,
Die Ähren küssen ihm das Gewand,
Er segnet sie alle mit reicher Hand,
Wie stolz sie nun stehen und glänzen.
Es ist eine Pracht unterm neuen Herrn,
Ein sattes Genügen, Genießen,
Und jedes fühlt sich im innersten Kern
So reich und tüchtig. Der Tod ist so fern,
Und des Lebens Quellen fließen.
König Sommer auf rotem Roß
Hält auf der Mittagsheide,
Müdigkeit ihn überfloß,
Er träumt von einem weißen Schloß
Und einem König in weißem Kleide.
Gustav Falke, ein deutscher Dichter und Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, schrieb das Gedicht in einer Zeit, in der Naturbeschreibungen und das einfache Landleben oft im Mittelpunkt literarischer Werke standen. Falke war bekannt für seine volksliedhafte und zugängliche Lyrik, die oft das Leben und die Natur in einem harmonischen und idyllischen Licht darstellte.
Der Sommer / Friedrich Hölderlin
Die Tage gehn vorbei mit sanfter Lüfte Rauschen,
Wenn mit der Wolke sie der Felder Pracht vertauschen,
Des Tales Ende trifft der Berge Dämmerungen
Dort, wo des Stromes Wellen sich hinabgeschlungen.
Der Wälder Schatten sieht umhergebreitet,
Wo auch der Bach entfernt hinuntergleitet,
Und sichtbar ist der Ferne Bild in Stunden,
Wenn sich der Mensch zu diesem Sinn gefunden.
Friedrich Hölderlin schrieb dieses Gedicht in einer Zeit, die von der Romantik und Weimarer Klassik geprägt war. Berühmt für seine tiefsinnigen Naturbilder und die Verbindung von Philosophie und Poesie, bannt Hölderlin hier die ruhige und beinahe meditative Stimmung des Sommers in Zeilen. Hölderlin Sammlung beim Projekt Gutenberg
An einem schönen Sommerabende / Theodor Storm
Lieblich senkt die Sonne sich,
Alles freut sich wonniglich
In des Abends Kühle!
Du gibst jedem Freud und Rast,
Labst ihn nach des Tages Last
Und des Tages Schwüle.
Horch, es lockt die Nachtigall,
Und des Echos Widerhall
Doppelt ihre Lieder!
Und das Lämmchen hüpft im Tal,
Freude ist jetzt überall,
Wonne senkt sich nieder!
Wonne in des Menschen Brust,
Der der Freud ist sich bewußt,
Die ihm Gott gegeben,
Die du jedem Menschen schufst,
Den aus nichts hervor du rufst
Auf zum ew'gen Leben.
Storm ist bekannt für seine einfühlsamen und naturverbundenen Gedichte, die oft eine tiefe Verbindung zur menschlichen Seele aufweisen. Dieses Gedicht fängt die friedvolle und freudige Stimmung eines Sommerabends ein, wo die Natur in voller Harmonie und Schönheit erscheint.