Wahre Meister an Werk. Diese Haiku sind berühmt und in aller Welt geschätzt. Sie sind dennoch bescheiden. So kurz sie auch sind, so tief und wahr ist ihre Verbindung zur Welt.
Haiku Inhaltsverzeichnis
Die Visualisierungen übernahm die künstliche Intelligenz DALL-E via Bing. Kann sie uns eine andere, eine neue Sicht auf die alten poetischen Zeilen ermöglichen? Oder muss ein Haiku stets für sich stehen?
Yosa Buson (1716-1784)
Sommerregen –
Eine Libelle greift nach
Blättern im Gras.
Yosa Buson gilt als einer der bedeutendsten Haiku-Meister Japans. Seine Gedichte zeichnen sich durch ihre Einfachheit, Klarheit und tiefe Empfindungskraft aus.
Matsuo Basho (1644-1694)
Eine Herbstnacht -
Mein Nachbar, ich frage mich,
Was macht er wohl gerade?
秋の夜や隣は何をする人ぞ
aki no yo ya tonari wa nani o suru hito zo
In der japanischen Dichtung ist die "Herbstnacht" (aki no yo) ein sogenanntes Kigo, ein jahreszeitliches Schlüsselwort, das untrennbar mit dem Bild eines klaren, sternenvollen Nachthimmels verbunden ist.
In diesem Kontext evoziert Bashōs Haiku die Stimmung einer stillen, klaren Herbstnacht, in der der Dichter den Sternenhimmel betrachtet und sich Gedanken über seinen Nachbarn macht. Die Sterne werden hier zu einem Symbol für die Verbundenheit und gleichzeitige Einsamkeit der Menschen - jeder ist in seine eigene Welt versunken und doch teilen wir alle denselben Himmel. Linktipp: Der Wurm in der Kastanie
Kobayashi Issa (1763 - 1828)
Sternklare Nacht -
Läutet die Glocke von Ueno
Oder von Asakusa?
星月夜鐘は上野か浅草か
hoshizukiyo kane wa ueno ka asakusa ka
Hier malt Issa das Bild einer sternklaren Nacht, in der der Klang einer fernen Tempelglocke zu hören ist. Er fragt sich, ob die Glocke vom Ueno-Tempel oder vom Asakusa-Tempel stammt - beide bekannte Tempel in Edo (dem heutigen Tokio). Die Sterne bilden den Hintergrund für einen Moment der Stille und Kontemplation, in dem die Welt auf einen einzelnen, klingenden Ton reduziert scheint.
Diese Haiku zeigen, wie die Sterne in der japanischen Dichtung oft als Symbol für die Schönheit, Stille und Ewigkeit der Natur verwendet werden und wie sie als Ausgangspunkt für Momente der Introspektion, Verbundenheit und Verwunderung dienen können.
Taneda Santoka (1882 - 1940)
Tiefer und tiefer
schreite ich voran,
in das Grün der Berge.
Das Gedicht wurde im Jahr 1936 veröffentlicht.
Es gehört zu Santokas Sammlung "Haikeiki" (俳諧記).
Es lässt sich auf verschiedene Weise interpretieren:
- Als Beschreibung einer physischen Wanderung: Das Haiku beschreibt die körperliche Anstrengung des Wanderns in den Bergen.
- Als Metapher für eine spirituelle Reise: Das Haiku beschreibt die Reise des Ichs zu einem tieferen Verständnis von sich selbst und der Welt.
- Als Ausdruck der Verbundenheit mit der Natur: Das Haiku beschreibt die tiefe Verbindung des Ichs mit der natürlichen Welt.
Das Haiku ist ein kraftvolles Bild für die Reise des Lebens. Es erinnert uns daran, dass es immer weiter vorwärts geht, tiefer in die unbekannten Gebiete, und dass es auf dieser Reise Schönheit und Bedeutung zu finden gibt.
Kobayashi Issa (1763 - 1828)
Diese Tautropfenwelt
Mag ein Tautropfen sein
Und dennoch ...
Issa betont die buddhistische Vorstellung der Vergänglichkeit und Schönheit des Augenblicks. Seine Tautropfenwelt symbolisiert die Welt selbst, betrachtet als etwas Flüchtiges und Vergängliches. Trotz der Kurzlebigkeit und scheinbaren Unbedeutendheit der Dinge, suggeriert das "Und dennoch …" eine tiefere Bedeutung oder Schönheit, die diese flüchtigen Momente in sich bergen. Es spiegelt die Wertschätzung des Augenblicks und die tiefere philosophische Reflexion über die Existenz wider.
Masaoka Shiki (1867 - 1902)
Shiki gilt als einer der großen Meister des modernen Haiku und als Reformer dieser Gedichtform. Er war auch ein bedeutender Kritiker und Theoretiker der Literatur. Shiki prägte den Begriff Haiku für das von ihm reformierte Gedicht. Sein Ansatz betonte die Bedeutung von Beobachtung und realistischer Darstellung in der Poesie.
Mein Leben -
Wie viel bleibt noch?
Die Nacht ist kurz.
Matsuo Basho (1644 - 1694)
Der alte Teich –
Ein Frosch springt hinein,
das Geräusch des Wassers.
Dieses Haiku vermittelt die Stimmung eines ruhigen, feuchten Frühlingstages, wobei der Fokus auf den Fröschen liegt, die typischerweise mit dem Beginn des Frühlings assoziiert werden. Bashōs Haiku sind bekannt dafür, Momente der Natur in ihrer reinen und unverfälschten Form einzufangen, und dieses Gedicht ist keine Ausnahme. Es spiegelt die Stille und die Erneuerung wider, die der Frühling mit sich bringt.
Ryokan (1758 - 1831)
Ihre Rückseiten zeigen sie,
Dann ihre Vorderseiten,
die fallenden Ahornblätter.
Ryokan war ein Zen-Mönch und Dichter. Er lebte in einer einfachen Hütte in den Bergen.
Fukuda Chiyo-ni (1703–1775)
Dieses Haiku wurde von ihr anläßlich des Todes ihres Sohnes geschrieben.
Mein kleiner Libellenjäger:
wie weit mag er gewandert sein,
frage ich mich?
Und dies ist ihr eigenes Todesgedicht:
Nachdem ich den Mond gesehen habe,
kann ich diesem Planeten
Lebewohl sagen.
Yosa Buson (1716 - 1784)
Rapsblüten!
der Mond im Osten
die Sonne im Westen
Der Stil verkörpret die Einfachheit und Eleganz der Edo-Zeit und hebt die ruhige Schönheit der Natur sowie den harmonischen Kontrast zwischen Mondlicht und Sonnenuntergang hervor.
Kobayashi Issa (1763 - 1828)
Ja, kleine Schnecke
Besteige den Berg Fuji
Aber ganz langsam
- Das Gedicht ist Teil der Sammlung "Orakayama no Haiku" (1824).
- Der Berg Fuji ist der höchste Berg Japans und ein nationales Symbol.
- Die Schnecke ist ein beliebtes Motiv in der japanischen Haiku-Poesie.
Das Haiku lässt sich auf verschiedene Weise interpretieren:
- Als Aufruf zur Geduld und Beharrlichkeit: Die Schnecke zeigt uns, dass man auch mit kleinen Schritten große Ziele erreichen kann.
- Als Loblied auf die Schönheit der Natur: Das Haiku lenkt unseren Blick auf die kleinen Wunder der Natur, die wir oft übersehen.
- Als Mahnung an die Vergänglichkeit des Lebens: Der Berg Fuji, ein Symbol für Größe und Beständigkeit, steht im Kontrast zur zerbrechlichen Schnecke.