20 traditionelle, japanische Sommerhaiku

20 traditionelle, japanische Sommerhaiku

Diese typischen Vertreter ihrer Art zeigen, was wir am Haiku so schätzen. Das Haiku fängt sie alle ein, die Jahrszeiten, denn das ist seine Domäne. Hier läuft die alte japanische Poesie zur Höchstform auf. Knapper und wahrer kann man die warme Jahreszeit nicht in Worte fassen.

Hier sind 20 herausragende Beispiele klassischer Haikumeister aus Japan.

Sommergras.
Von großen Träumen
ist wenig geblieben.

Matsuo Bashō

Wo bei dem Regen
sie wohl noch hingehen will,
die Weinbergschnecke?

Kobayashi Issa

Rapsblüten!
der Mond im Osten
die Sonne im Westen

Yosa Buson

Weißglänzender Tau!
Allzu leichtfertig legst du dich
überall hin …

Nishiyama Sōin (1605–1682)

Nishiyama Sōin war ein bedeutender japanischer Haiku-Dichter und Gründer der Danrin-Schule der Haiku-Dichtung. Sōin war bekannt für seine innovative und unkonventionelle Herangehensweise an die Haiku-Dichtung, die sich von den strengen und formalen Regeln der traditionellen Haikai-Dichtung abwandte.

Den eigenen Schatten
in seichter Furt durchwaten –
O welche Kühle!

Yosa Buson

Die Schmetterlinge,
als sie sich heimlich trafen,
so kühl und höflich.

Takahama Kijō (1865 - 1938)

Traurigkeit in mir,
einsam ist es geworden –
der Ruf des Kuckucks.

Matsuo Bashō

In der traditionellen japanischen Dichtkunst ist der Kuckuck ein saisonales Wort (kigo) für den Sommer. Der Ruf des Kuckucks wird oft mit Melancholie und Einsamkeit in Verbindung gebracht, was das Gefühl der Sommerzeit in der japanischen Kultur widerspiegelt.

In den fernen Bergen
geht die Sonne bald unter –
kühle Abendluft.

Masaoka Shiki

Das Haiku fängt die Stimmung eines Sommerabends ein, wenn die Hitze des Tages allmählich nachlässt und die Natur in eine ruhigere, angenehmere Phase übergeht. Die fernen Berge und die untergehende Sonne vermitteln ein Gefühl von Weite und Ruhe, während die Abendkühle darauf hinweist, dass der Tag sich dem Ende zuneigt und der Abend eine willkommene Erfrischung bringt.

Auf dem Lotos-Blatt
sammelt sich der Sommerregen -
kleine Perlenkreise.

Kobayashi Issa

Mittagsblume,
der Sommerduft
in ihr eingefangen.

Masaoka Shiki

Die Mittagsblume (Hirugao) ist eine Art von Winde, die in Japan im Sommer blüht. Der Duft, der mit dem Sommer verbunden wird, vermittelt das Gefühl von Wärme und der Fülle der Jahreszeit.

Die Winde rankt sich
um den Eimer, daher bitte ich
um Wasser vom Nachbarn.

Kaga no Chiyo

Dieses Haiku fängt die schlichte Schönheit des Alltags ein und ist ein hervorragendes Beispiel für das Mono no aware-Gefühl, das in der japanischen Dichtkunst zentral ist. Die Asagao, die japanische Winde oder Trichterwinde, rankt sich um den Eimer, den die Dichterin normalerweise zum Wasserholen benutzt. Statt die Pflanze zu stören, entscheidet sie sich, Wasser von einem Nachbarn zu erbitten. Das Gedicht wird oft als Ausdruck von Rücksichtnahme und Respekt vor der Natur interpretiert. Kaga no Chiyo, auch bekannt als Chiyo-ni, eine der wenigen berühmten weiblichen Haiku-Dichterinnen des 18. Jahrhunderts

Den Sommerfluss überqueren,
was für eine Freude,
Hand in Hand.

Murai Chiyō (1703–1775)

Dieses Haiku fängt die Freude und das Gefühl der Gemeinschaft ein, die durch das einfache Vergnügen entsteht, gemeinsam einen Sommerfluss zu überqueren. Die Szene strahlt eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit aus, die typisch für den Sommer ist.

Der Sommer kommt,
selbst die Bäume in den Bergen
flüstern im Wind.

Tachibana Akemi

Dieses Haiku fängt die Ankunft des Sommers ein und beschreibt, wie die Bäume in den Bergen im sanften Sommerwind rauschen. Die Personifikation der Bäume, die im Wind flüstern, verleiht der Szene eine lebendige, fast mystische Qualität. Es vermittelt die Ruhe und den Frieden, den man oft in der Natur während der Sommermonate findet, wenn alles im Einklang mit der Jahreszeit zu sein scheint.

Grüner Schatten –
am Rand der Wellen
spielen Libellen.

Sugita Hisajo (1890–1946)

Hisajo war eine der wenigen prominenten weiblichen Haiku-Dichterinnen des frühen 20. Jahrhunderts. Dieses Haiku fängt eine ruhige, sommerliche Szene ein, in der Libellen am Ufer eines Gewässers tanzen, während der Schatten der Bäume Schutz vor der Sonne bietet.

Der Flusswind –
weiße Mittagsblumen
fliegen über das Indigo.

Kato Shūson (1905–1993)

Shūson war ein wichtiger Dichter des 20. Jahrhunderts, der oft den Einfluss der Natur auf das menschliche Leben betonte. In diesem Haiku zeigt er eine sommerliche Szene, in der die weiße Blüte der Mittagsblume vom Wind über die indigofarbene Landschaft getragen wird, was ein Gefühl von Leichtigkeit und Bewegung vermittelt.

Das Moskitonetz aufgehängt,
versuche ich, die Sommernacht
zu verschlafen.

Mizuhara Shūōshi (1892–1981)

Shūōshi war ein führender Vertreter der modernen Haiku-Bewegung. Dieses Haiku schildert die Mühen, in einer heißen Sommernacht Schlaf zu finden, mit einem Moskitonetz als notwendigem Schutz vor den Insekten.

Ein Sommerfalter,
in blassem Gelb,
so zart.

Nakatsuka Ippekirō (1887–1946)

Ippekirō war ein moderner Haiku-Dichter, der oft feine Details aus der Natur einfangen konnte. Dieses Haiku vermittelt die Leichtigkeit und Zerbrechlichkeit eines Sommerfalters, der in blassem Gelb durch die Luft gleitet, und es fängt die Essenz des Sommers in einer einzigen, zarten Bewegung ein.

Glühwürmchen fliegen –
zwischen den Reisfeldern Dunkelheit,
und der Klang des Flusses.

Naitō Jōsō (1662–1704)

Eine nächtliche Sommerlandschaft in der die Glühwürmchen durch die Felder tanzen. Die Dunkelheit umhüllt alles, und der Fluss ist das einzige hörbare Geräusch. Jōsō war ein Schüler von Bashō, und dieses Haiku zeigt seine Fähigkeit, mit einfachen Bildern eine tiefe und atmosphärische Szene zu schaffen.

Sommerregen.
Die Hängebrücke
Schaukelt im Wind.

Takaha Shugyo (1930–2014)

Sommernacht.
Ab und zu erklingt
der Ton der Wasseruhr.

Yosa Buson

Die Wasseruhr, auf die in Busons Haiku Bezug genommen wird, ist wahrscheinlich ein Shishiodoshi, ein traditionelles Wasserspiel, das oft in japanischen Gärten zu finden ist. Es ist eine Vorrichtung, die aus einem Bambusrohr besteht, das in einem Drehgelenk befestigt ist. Das Rohr wird langsam mit Wasser aus einer Quelle, wie einem kleinen Bach oder einer Pumpe, gefüllt. Sobald das Bambusrohr durch das Gewicht des Wassers kippt, entleert sich das Wasser in einen darunter liegenden Behälter, und das Rohr schwingt zurück in seine Ausgangsposition. Dabei schlägt es auf einen Stein oder ein anderes festes Objekt, wodurch ein charakteristisches Klopfgeräusch entsteht.

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Illustrationen von DALL-E via Microsoft Designer.

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