In der Welt des Haiku nimmt der Jahreswechsel einen ganz besonderen Platz ein, was die reiche Tradition von Neujahrsgedichten in dieser japanischen Dichtkunst erklärt. Seine Bedeutung wurzelt tief in der japanischen Kultur, wo Neujahr (Shogatsu) als eines der wichtigsten Feste gilt. Es ist eine Zeit der Erneuerung, der Familientreffen und der spirituellen Reinigung. Hier findest du zwölf authentische Beispiele von japanischen Meistern.
Die Symbolik des Übergangs vom alten zum neuen Jahr, mit Themen wie Vergänglichkeit und Neuanfang, eignet sich ideal für die knappe, aber ausdrucksstarke Form des Haiku. Der Jahreswechsel hält eine Fülle von Motiven und Symbolen bereit.
Die Haiku sind still, ruhig, schlicht, natürlich, friedlich, karg, hell, frisch, bescheiden, sanft, klar, zart, vergänglich, melancholisch, frostig, rein, schlicht, traditionell, leise, freundlich, winterlich, beweglich, reflektierend und sanft.
Am Neujahrsmorgen.
Verdorrte Chrysanthemen
vorne im Garten.
Masaoka Shiki (1887 - 1902)
Für das neue Jahr
weißes Papier gebunden
als mein Notizbuch.
Masaoka Shiki (1887 - 1902)
Das magere Pferd
zu Neujahr herausgeschmückt,
seine erste Last.
Masaoka Shiki (1887 - 1902)
Neujahr. Glückwunschzeit.
Das Übliche für mich – das
Ist mein Fest.
Kobayashi Issa
Der letzte Tag
des Jahres kommt – das ist gewiss
in dieser ungewissen Welt!
Ihara Saikaku (1642–1693)
Das Jahr geht zu Ende,
noch im Reisemantel und Strohschuhen
wandere ich weiter.
Matsuo Basho (1644–1694)
In diesem Vers von Basho wird die Vergänglichkeit des Jahres thematisiert, während der Dichter, so wie er es immer tat, in Bewegung bleibt und damit auch den ständigen Fluss des Lebens symbolisiert.
Neujahrsdekorationen –
die Stürme des Winters
verweilen noch.
Kobayashi Issa (1763–1828)
Issa beschreibt hier die traditionelle Neujahrsdekoration (Kadomatsu), die meist aus Kiefer und Bambus besteht, und die immer noch dem Winterwind trotzt, was die Verbindung zwischen Neujahr und Winter betont.
Neujahrstag –
der Spiegel zeigt
das Muster der Wasserlilien.
Yosa Buson (1716–1784)
Buson verwendet hier das Bild eines Spiegels, der das Muster einer Wasserlilie zeigt. Dieses Haiku verbindet die Reinheit und Klarheit des Neujahrstages mit natürlicher Schönheit und stiller Reflektion.
Neues Jahr –
der runde Reiskuchen
leuchtet weiß.
Natsume Soseki (1867–1916)
Sosekis Zeilen spielen auf das Neujahrsessen an, bei dem traditionell Reiskuchen (Mochi) gegessen werden. Der leuchtend weiße Kuchen symbolisiert Reinheit und ein neues, unbeschriebenes Jahr, ähnlich wie Schnee.
Es kam ganz leise
Bei Mann und Frau zum Alltag
Ein Neujahrslächeln –
Kobayashi Issa
Das neue Jahr –
das Eis in meinem Herzen
beginnt zu schmelzen.
Uejima Onitsura (1661–1738)
Neujahrstag —
so fühlt es sich an,
als würde mein Körper schrumpfen.
Naito Joso (1662–1704)