Rainer-Maria Rilke: 10 seiner bedeutendsten Gedichte in Szene gesetzt

Rainer-Maria Rilke: 10 seiner bedeutendsten Gedichte in Text & Bild

Rainer Maria Rilke (1875-1926) war ein österreichischer Lyriker und Schriftsteller, der heute als einer der bedeutendsten Dichter der Moderne angesehen wird. In seinen Gedichten erforschte Rilke die menschliche Existenz, Spiritualität und unsere Beziehung zur Natur – Themen, die er in eine symbolische, mystische und oft melancholische Sprache kleidete. Hier habe ich 10 seiner bekanntesten und wichtigsten Werke zusammengestellt und von einer künstlichen Intelligenz ins Bild setzen lassen. So hast du Rilke noch nicht gesehen!

Viele von Texten sind heute frei zugänglich, etwa beim Projekt Gutenberg, wo du zahlreiche seiner Gedichte kostenlos online lesen kannst. Ausgewählte Gedichte findest du unter anderem auch hier.

Die Visualisierungen, die ich habe machen lassen, stammen von der KI DALL-E und dem Microsoft Designer. Teilweise habe ich Ausschnitte als Ausgangsmaterial verwendet, aber stets ohne eigene Hinzufügungen oder Verdeutlichungen. Die Bilder zeigen manchmal Überraschendes, manchmal Erwartbares und gelegentlich auch Erschreckendes – und fangen so auch Rilkes dunklere Seiten ein. Siehe auch: 12 herausragende klassische Rosengedichte

Der Panther

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
So müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
Und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
Der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
Ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
In der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
Sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
Geht durch der Glieder angespannte Stille –
Und hört im Herzen auf zu sein.

Rilke beschreibt in diesem Gedicht von 1902 einen Panther im Pariser Zoo, dessen Bewegungen im engen Käfig mechanisch und träge wirken. Seine scharfen, einst kraftvollen Blicke sind müde geworden; das Leben scheint für ihn bedeutungslos zu sein. Die starke Metaphorik und bildhafte Sprache vermitteln nicht nur die Eindrücke der äußeren Gefangenschaft, sondern auch die innere Resignation. Das Gedicht verkörpert die Spannung zwischen Lebenskraft und deren Unterdrückung. Es ist so berührend, weil es das Thema der Unfreiheit universell aufgreift.

Das Karussell

Das Karussell

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.

Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.

Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,
nur daß er einen Sattel trägt und drüber
ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und auf den Pferden kommen sie vorüber,
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge
schauen sie auf, irgend wohin, herüber –

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und das geht hin und eilt sich, daß es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil –.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel ...

Das Karussell ist eine Metapher für die ständige Bewegung des Lebens, die freudig und melancholisch zugleich ist. Rilkes präzise und bildhafte Sprache verleiht der Szene eine Art verzauberte Unwirklichkeit. Das Gedicht vermittelt das Gefühl kindlicher Freude, jedoch auch die Vergänglichkeit des Augenblicks – eine Mischung aus Lebendigkeit und flüchtiger Schönheit, eingefangen im Kreis der ewigen Wiederholung. Das Karussell kann dem Jugendstil zugeordnet werden.

Archaischer Torso Apollos

Archaischer Torso Apollos

WIR kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,

sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;

und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.

Rilke beschreibt eine zerbrochene Statue des griechischen Gottes Apollon. Trotz der fehlenden Teile – wie Kopf und Arme – strahlt der Torso eine intensive Lebendigkeit und Energie aus. Das Licht, das die Form der Statue durchströmt, lässt erahnen, dass diese Figur einst vollkommen war und eine außergewöhnliche Kraft in sich trug. Rilke beschreibt, wie der Blick auf den Torso den Betrachter zwingt, sich seiner eigenen Unvollkommenheit bewusst zu werden.

Die Gazelle

Die Gazelle

Verzauberte: wie kann der Einklang zweier
erwählter Worte je den Reim erreichen,
der in dir kommt und geht, wie auf ein Zeichen.
Aus deiner Stirne steigen Laub und Leier,

und alles Deine geht schon im Vergleich
durch Liebeslieder, deren Worte, weich
wie Rosenblätter, dem, der nicht mehr liest,
sich auf die Augen legen, die er schließt:

um dich zu sehen: hingetragen, als
wäre mit Sprüngen jeder Lauf geladen
und schüsse nur nicht ab, solang der Hals

das Haupt ins Horchen hält: wie wenn beim Baden
im Wald die Badende sich unterbricht:
den Waldsee im gewendeten Gesicht.

Die Gazelle wird als verzaubertes Wesen beschrieben, dessen Bewegungen und Gestalt wie ein vollkommenes Gedicht wirken. Rilke vergleicht ihre Anmut mit musikalischen Klängen und Liebesliedern, die die Sinne überwältigen. Ihre Bewegungen sind voller Spannung, als wäre jeder Schritt ein Sprung, doch zurückgehalten in einer beherrschten Grazie.

Der Schwan

Der Schwan

Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen

in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehen, Flut um Flut;

während er unendlich still und sicher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.

Das Gedicht symbolisiert das Leben und Sterben als einen Übergang von Schwere zu Gelassenheit. Der Schwan steht für den Menschen, der das Leben oft mühsam und unsicher durchschreitet. Im Sterben jedoch, wie der Schwan, der ins Wasser gleitet, wird alles ruhiger, majestätischer und frei von Anstrengung. Rilke verleiht dem Tod etwas Befreiendes und Würdevolles, indem er ihn als sanften Übergang darstellt – eine Annahme des Endes, die Schönheit und Gelassenheit in sich trägt.

Liebes-Lied

Liebes-Lied

Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt,wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

Rilke geht es um die Schwierigkeit, eine eigene Identität zu bewahren, ohne von der Liebe des Anderen beeinflusst zu werden. Die Seele des lyrischen Ichs wird mit einer zarten Saite verglichen, die von der Nähe des Geliebten berührt wird, so dass beide zusammen eine Einheit bilden. Diese Verbundenheit wird wie ein Bogenstrich beschrieben, der zwei Saiten zu einem gemeinsamen Klang verschmelzen lässt. Rilke endet mit der bittersüßen Erkenntnis der unausweichlichen Verbundenheit.

Blaue Hortensie

Blaue Hortensie

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;

Verwaschenes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragenes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

Rilke beschreibt eine verblassende Blüte und reflektiert über Vergänglichkeit und Hoffnung. Die Blätter wirken trocken und stumpf, und die Blüten tragen ein Blau, das nur fern und verweint scheint – ein Sinnbild für etwas, das fast verloren geht. Diese Blässe erinnert an Kindheitserinnerungen oder verblichene Dinge, die nicht mehr gebraucht werden. Dennoch, plötzlich, erneuert sich das Blau in einer Blütendolde – ein Moment der Hoffnung und Freude über das Wiedererwachen des Lebens.

Herbsttag

Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Eine Meditation über den Wechsel der Jahreszeiten und den damit verbundenen Übergang im Leben. Der Sommer ist vorüber, und der Herbst bringt Reife und Abschied. Das Gedicht schließt mit einem melancholischen Ausblick auf Einsamkeit: Wer jetzt kein Zuhause oder Begleiter hat, wird in der kommenden kalten Jahreszeit allein bleiben, in Gedanken versinken und umherwandern, während die Blätter fallen – ein Sinnbild für die innere Unruhe und Vergänglichkeit.

Klage

Klage

O wie ist alles fern
und lange vergangen.
Ich glaube, der Stern,
von welchem ich Glanz empfange,
ist seit Jahrtausenden tot.
Ich glaube, im Boot,
das vorüberfuhr,
hörte ich etwas Banges sagen.
Im Hause hat eine Uhr
geschlagen...
In welchem Haus?...
Ich möchte aus meinem Herzen hinaus
unter den großen Himmel treten.
Ich möchte beten.
Und einer von allen Sternen
müsste wirklich noch sein.
Ich glaube, ich wüsste,
welcher allein
gedauert hat, -
welcher wie eine weiße Stadt
am Ende des Strahls in den Himmeln steht...

Rilkes Text drückt ein tiefes Gefühl der Entfremdung und Sehnsucht aus. Alles scheint fern und vergangen – selbst die Sterne, die leuchten, sind vielleicht längst erloschen. Diese Vorstellung betont die Distanz zur Welt und zur Vergangenheit. Das lyrische Ich spürt das Verstreichen der Zeit, verkörpert durch das Ticken einer Uhr, und fühlt den Wunsch, aus der Enge des eigenen Herzens auszubrechen, unter den weiten Himmel zu treten und zu beten. Doch es gibt einen Funken Hoffnung ...

Die Engel

Die Engel

Sie haben alle müde Münde
und helle Seelen ohne Saum.
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)
geht ihnen manchmal durch den Traum.

Fast gleichen sie einander alle;
in Gottes Gärten schweigen sie,
wie viele, viele Intervalle
in seiner Macht und Melodie.

Nur wenn sie ihre Flügel breiten,
sind sie die Wecker eines Winds:
als ginge Gott mit seinen weiten
Bildhauerhänden durch die Seiten
im dunklen Buch des Anbeginns.

Das Gedicht zeigt die Engel als zarte, fast müde Wesen, die sich in ihrer Reinheit ähneln und oft schweigen. Ihre Seelen sind makellos, und eine unerklärliche Sehnsucht durchzieht manchmal ihre Träume – eine Ahnung von etwas Verbotenem. Die Engel erscheinen hier als Elemente einer höheren Ordnung, zugleich voller Sehnsucht und Ausdruck von Gottes Schöpfungskraft.

Zugabe / Der Bach hat leise Melodien

Der Bach hat leise Melodien,
und fern ist Staub und Stadt;
die Wipfel winken her und hin
und machen mich so matt.

Der Wald ist wild, die Welt ist weit,
mein Herz ist hell und groß.
Es hält die blasse Einsamkeit
mein Haupt in ihrem Schoß.

Ein weniger bekanntes Gedicht, aber darum nicht weniger schön. Rilkes Verse thematisieren die Ruhe der Natur und die Gelassenheit, die aus der Verschmelzung mit ihr erwächst.

: Adjektive, die am besten zum dichterischen Werk Rilkes passen

einfühlsam, melancholisch, tiefgründig, zart, sehnsuchtsvoll, mystisch, spirituell, symbolisch, introspektiv, nachdenklich, erhaben, still, fragil, philosophisch, visionär, sinnlich, träumerisch, geheimnisvoll, emotional, düster, ernst, sehnsüchtig, transzendent, meditativ.

Rainer-Maria Rilke: 10 seiner bedeutendsten Gedichte in Text & Bild

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