Über 200 Haiku von Kobayashi Issa haben den Schmetterling zum Thema. Zwanzig der schönsten habe ich ausgewählt und für diesen Beitrag neu übersetzt.
Auf Japanisch heißt er chô. Er begegnet uns in vielen Facetten. Jedes Haiku ist ein Fenster in eine erstaunliche Welt, in der selbst das kleinste Leben eine große Bedeutung hat. Schmetterlinge taugen nicht nur ein Symbol der Vergänglichkeit, sondern auch als Quelle von Freude und Staunen. Lass uns das mit diesen Haiku feiern!
Schmetterlinge … Mit scharfem Blick und einem Sinn für humorvolle und berührende Details zeigt Issa, wie selbst die flüchtige Bewegung eines Falters große Emotionen und tiefes Nachdenken auslösen kann. Gehe nicht oberflächlich über sie hinweg! Sondern lasse dich sanft von ihnen berühren!
.ちる花にがつかりしたる小てふ哉
chiru hana ni gakkari shitaru ko chô kana (1814)
Fallenden Blüten …
ganz niedergeschlagen –
der kleine Schmetterling!
.けさ秋と合点でとぶかのべの蝶
kesa aki to gaten de tobu ka nobe no chô (1814)
Heute Morgen, der Herbst ist da –
ob er es beim Fliegen schon ahnt,
der Wiesenschmetterling?
.犬と蝶他人むきでもなかりけり
inu to chô tanin muki demo nakari keri (1815)
Hund und Schmetterling –
ganz fremd waren sie
einander nie.
.舞賃に紙をとばすぞのべの蝶
maichin ni kami wo tobasu zo nobe no chô
Als Tanzhonorar lasse ich
ein Stück Papier für sie fliegen –
Wiesenschmetterlinge.
Issa stellt sich vor, ein Stück Papier, das vielleicht echtes Geld ist oder nur ein Fantasieobjekt, als Bezahlung für den Tanz der Schmetterlinge auf der Wiese fliegen zu lassen.
.塵塚にあんな小蝶が生れけり
chirizuka ni anna ko chô ga umare keri (1819)
In einem Müllhaufen
ist so ein kleiner Schmetterling
geboren worden!
.天人の気どりの蝶や花御堂
tennin no kidori no chô ya hanamidô (1822)
Schmetterlinge,
wie himmlische Wesen –
Buddhas Blumentempel.
Der Blumentempel (花御堂, Hanamidô) ist eine kleine, mit Blumen geschmückte Halle, die traditionell an Buddhas Geburtstag aufgestellt wird. Dieser Tag wird in Japan am 8. Tag des 4. Monats nach dem alten Mondkalender gefeiert. In buddhistischen Tempeln wird ein Miniaturtempel mit bunten Blumen geschmückt, um den jungen Buddha zu ehren. Im Inneren des Hanamidô steht oft eine kleine Statue des Kind-Buddhas, die mit Blumen umgeben ist. Die Gläubigen übergießen die Statue symbolisch mit süßem Tee (甘茶, amacha), um Buddhas Geburt zu feiern. Diese Handlung repräsentiert die Legende, dass nach Buddhas Geburt aus dem Himmel Blüten und süßer Regen gefallen sein sollen.
.籠の鳥蝶をうらやむ目つき哉
kago no tori chô wo urayamu metsuki kana (1823)
Vogel im Käfig –
sein ganzer Blick beneidet
den Schmetterling!
.浅黄てふあれば浅黄の桜哉
asagi chô areba asagi no sakura kana (1821)
Blassblauer Schmetterling –
plötzlich in derselben Farbe,
die Kirschblüten!
Im buddhistischen Denken könnte dies auf die Idee hinweisen, dass nichts in der Natur getrennt ist – alles ist Teil eines größeren, harmonischen Ganzen. Der Schmetterling und die Blüte sind nicht nur nebeneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig und verschmelzen in der Wahrnehmung des Dichters.
.生れでて蝶は遊ぶを仕事哉
umaredete chô wa asobu wo shigoto kana (1821)
Geboren, um zu gaukeln –
des Schmetterlings
Beruf!
.こつそりとしてあそぶ也浅黄蝶
kossori to shite asobu nari asagi chô
Vollkommen lautlos,
blassgelbe Falter
im Spiel miteinander.
.寝仲間に我も這入るぞ野辺の蝶
ne nakama ni waga mo hairu zo nobe no chô (1821)
Den Nachtgefährten
geselle ich mich hinzu –
die Wiesenfalter.
.鳥もなき蝶も飛けり古畳
tori mo naki chô mo tobi keri furu tatami (1805)
Vögel singen,
Schmetterlinge tändeln –
die alte Tatami.
Dieses Haiku fängt einen friedvollen Moment ein, in dem der Dichter auf einer alten Tatami-Matte sitzt und sich von den Klängen der Vögel und dem Tanz der Schmetterlinge umgeben fühlt. Die Reisstrohmatte symbolisiert vielleicht den Rückzug in eine einfache, kontemplative Lebensweise, während die lebendige Natur um ihn herum die Erneuerung und Leichtigkeit des Frühlings widerspiegelt.
.蝶ひらひら庵の隅々見とどける
chô hira-hira io no sumi-zumi mitodokeru (1819)
Gaunkelnder Schmetterling –
jeden Winkel der Hütte
inspiziert er.
.寝るてふにかしておくぞよ膝がしら
neru chô ni kashite oku zo yo hizagashira (1813)
Schlafender Schmetterling –
mein Knie habe ich
ihm geliehen.
.大猫の尻尾でじやらす小てふ哉
ôneko no shippo de jarasu ko chô kana (1818)
Den Schwanz
der großen Katze neckt
ein kleiner Schmetterling!
.手の前に蝶の息つく茸哉
te no mae ni chô no ikitsuku kinoko kana (1803)
Geradewegs vor meiner Hand –
der Schmetterling verschnauft
auf einem Pilz!
.世の中を浅き心や浅黄蝶
yo no naka wo asaki kokoro ya asagi chô (1821)
Diese Welt –
ein leichtes Herz, wie
ein hellblauer Schmetterling.
.花桶に蝶も聞かよ一大事
hana oke ni chô mo kiku ka yo ichi daiji
Im Blüteneimer –
lauscht auch der Schmetterling
Buddhas Botschaft?
Issa war tief in buddhistischen Vorstellungen verwurzelt, insbesondere in der Idee der universellen Erlösung. Dies spiegelt sich immer wieder in seiner Arbeit wider.
.一人茶や蝶は毎日来てくれる
hitori cha ya chô wa mainichi kite kureru
Allein beim Tee –
ein Schmetterling kommt täglich
und spendet mir Trost.
なまけるな雀はおどる蝶はまふ
Namakeru na suzume wa odoru chô wa mau (1812)
Bleib nicht müßig!
Die Spatzen tanzen,
die Falter flattern.
Die Illustrationen wurden für diesen Beitrag von DALL-E und dem Microsoft Designer via Bing erschaffen.